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Cossidae - Typenverzeichnis


Über (26) Cossidae

Das reich verzweigte primitive Geäder der Falter und die Lebensweise der Raupen weisen die Cossidae als eine recht ursprüngliche Familie aus. Die polyphyletische Familie vereint über 110 Gattungen mit fast 800 bekannten Arten, die sich in die Unterfamilien Cossinae, Cossulinae, Catoptinae, Hypoptinae, Mehariinae, Stygiinae, Pseudocossinae, Politzariellinae und Zeuzerinae aufteilen. Neu ist die Zugehörigkeit der Metarbelinae und Ratardinae zu dieser Familie.

Cossidae sind zwar weltweit und von Europa, Asien, Afrika mit Madagaskar, Australien sowie Nord- und Südamerika verbreitet. Die größte Artenvielfalt entwickeln sie in den Tropen. Im amerikanischen Faunenbereich nördlich von Mexiko sind an die 50 Arten bekannt, davon gut Dreiviertel im Westteil dieses Kontinents.

Es gibt kleine Arten, deren Größe nicht über die von Faltern der Familie Psychidae hinausreicht. Überwiegenden handelt es sich aber um kräftig gebaute mittelgroße Motten. Es finden sich aber auch große, in ihrem Äußeren an Schwärmerarten (Sphingidae) erinnernde Cossiden, die mit einer Flügelspannweite von bis zu 25 cm zu den wahren Nachtfalterriesen zählen. Mit die größten stellt die Gattung Xyleutes, deren Arten sich in den riesigen Eukalyptos-Stämmen und Ailanthus-Arten Australiens entwickeln. Ihre fetten Raupen sind bei den Eingeborenen Australiens als schmackhafte Leckerbissen sehr begehrt.

Bis auf die überwiegend tagaktiven Arten der südostasiatischen Unterfamilie Ratardinae sind Cossiden nachtaktiv. Sie werden sehr stark von elektrischem Licht angezogen.

Der Großteil der Arten ist eher unscheinbar gezeichnet, graue und braune Farbtöne überwiegen. Wegen ihrer verkümmerten Mundwerkzeuge sie zu keiner Nahrungsaufnahme fähig. Ihre Fühleranatomie ist sehr uneinheitlich und von sehr unterschiedlicher Länge. Bei manchen Arten ist die Struktur kräftig serrat, bei den Zeuzerinae dagegen nur sehr kurz gezähnt, fast rudimentär.
Die im Verhältnis zu den Männchen meist deutlich größeren Weibchen besitzen einen Legedorn, mit dessen Hilfe sie die Eier in Rinden- und Schalenritzen ihrer Wirtspflanzen ablegen. Das Wissen über die Biologien beschränkt sich auf wenige palaearktische und größere tropische Arten. Man hat inzwischen in Erfahrung gebracht, dass das Wirtspflanzenspektrum breit gefächert ist und neben Baum- und Straucharten auch krautige Pflanzen und Zwiebelgewächsen umfasst.

Die größeren unter den palaearktisch verbreiteten Arten der Unterfamilie Cossinae bevorzugen Laubbäume als Brutbäume, vor allem Weide- und Pappelarten, aber auch Obstbäume werden befallen. Mit ihren kräftigen, nach vorne stehenden Mandibeln sind sie in der Lage, Holz zu zernagen. Jungraupen holzfressender Arten entwickeln sich zunächst gemeinsam unter der Rinde, erst nach der Überwinterung treiben sie tiefere Gänge in die Stämme. Oft benötigen sie mehrere Jahre, bis sie ihre volle Größe erreicht haben. Der Schaden, der durch Raupenfraß vor allem an Jungholz in Obstplantagen entstehen kann, ist zuweilen groß. In tropischen Gebieten können Cossiden in Plantagen von Kakao, Kaffee, Tee, Oliven und anderen Nutzpflanzen beträchtliche Schäden von ökonomischer Bedeutung verursachen.
Die Raupen sind nackt und teilweise von flacher Gestalt. Erwachsen weisen sie mehrheitlich eine überwiegend gelbrote bis bräunliche Färbung auf, nur der Kopf und das Nackenschild sind schwarz. Zu ihrem Schutz sondern sie aus Mandibeldrüsen ein stark nach Essig riechendes Sekret aus. Die Verpuppung erfolgt in einem aus Gespinst und Spänen verfertigten Kokon, der im mit Genagsel verstopften Fraßgang angelegt wird.

Alle Arten mit kräftigem Abdomen weisen im Abdomen beträchtliche Fettreserven auf. Das führt im Laufe der Zeit dazu, dass Falterpräparate in Sammlung verölen, da das Fett im Laufe der Zeit den gesamten Falter einschließlich der Flügel durchdringt. Cossidae verfärben in „veröltem“ Zustand und sind deshalb für eine Diagnose ihrer Färbung und Zeichnung ungeeignet. Auch wenn die Verölung nicht so weit fortgeschritten zu sein scheint, kann dies das Aussehen des Falters erheblich verändern. Es wurden Fälle bekannt, bei denen die Erstbeschreibung nach verölten Individuen erfolgte, was eine vom Originalzustand der Art stark abweichende Diagnose ergab. Das nachträgliche Entölen des Typenmaterials erforderte eine Korrektur der Originalbeschreibung und ermöglichte eine realistische Wiederbeschreibung und Darstellung der Arten. Eine Bearbeitung von nicht fangfrischen, bereits ölig gewordenen Cossiden sollte deshalb ohne vorausgehendes Entölen nicht erfolgen.

Es wurden verschiedene Methoden entwickelt, um den Faltern das Fett zu entziehen. Die gebräuchlichste ist ein mehrtägiges Bad in einem geschlossenen Gefäß mit ausschließlich chemisch reinem Benzin. Von der Anwendung wirksamerer Mittel wie Aceton, Trichloräthylen und ähnlicher ist wegen deren stark krebsfördernder Wirkung auf das menschliche Atemsystem abzuraten. Das sich auflöste Fett verfärbt das Benzin. Daher ist es bei größeren Faltern ratsam, die Prozedur mit erneuertem Benzin mehrmals zu wiederholen, um auch die zunächst äußerlich nicht erkennbaren Fettreserven im Inneren des Abdomens zu lösen. Diese würden über kurz oder lang erneut zum „Verölen“ des Falters führen.

Nach der Entnahme aus dem Bad trocknen die Falter schnell ab und zeigen wieder ihr ursprüngliches Aussehen. Es ist allerdings empfehlenswert, ihre durch das Bad verklebte Körperbehaarung mit einem feinen Pinsel wieder aufzulockern.

Beginnend mit der Zusammenarbeit von Thomas WITT mit Franz DANIEL bei der Übernahme dessen Sammlung wurde damit begonnen, systematisch alles erreichbare Cossidae-Material zusammenzutragen so dass Ende der 90er Jahre zunächst ein Fundus von 150-200 Kästen unbearbeiteter Falter zur Verfügung stand. Franz DANIEL war es auch, der Mitte des 20. Jahrhunderts in den Jahren 1954 bis 1965 eine erste systematische Gliederung der palaearktischen Vertreter der Familie nach dem Bau der Fühler als Hauptmerkmal vornahm und das Ergebnis in einer aus achtteiligen „Monographie der palaearktischen Cossidae“ veröffentlichte. Grundlage hierfür bildete dabei das damalige Museumsmaterial der Zoologischen Staatssammlung München wie auch die Sammlung DANIEL, zu diesem Zeitpunkt die umfassendste Dokumentation der palaearktischen Vertreter dieser Familie.
Ende des vorigen Jahrhunderts erfuhr die Familie der Cossidae durch Johan Wilem SCHOORL eine fortführende Bearbeitung, wobei auch die Genitalstrukturen als weiteres Merkmal mit einbezogen wurden. Diese Bearbeitung unter Festlegung aller weltweiten Gattungstypen führte zu einer revidierten systematischen Einteilung.

Dank der Vermittlung durch Vadim ZOLOTUHIN kam es in den letzten beiden Jahrzehnten zu einer befruchtenden Kooperation mit Roman YAKOVLEV aus dem russischen Barnaul, der sich auf die Erforschung der Cossidae spezialisiert hatte. Seine sukzessive Auswertung des mit den Jahren noch umfangreicher gewordenen Materials im Museum WITT erbrachte weiteren Kenntniszuwachs. Es zeigt sich die Notwendigkeit einer weiteren Überarbeitung der Cossiden. Von YAKOVLEV wurden alle bedeutenden Museen aufgesucht, um deren Sammlungen einzusehen und darin enthaltenes Typenmaterial zu dokumentieren. Seither publiziert er in zahlreichen Veröffentlichungen die vielfältigen Ergebnisse seine Forschungen. Eine weltweite Monographie der Cossidae, Ziel seiner Forschungstätigkeit, nimmt zunehmend Gestalt an, zumal der Museumsbestand in 2009 durch die Übernahme der Cossidae-Sammlung von Aidas SALDAITIS, Vilnius einen weiteren wertvollen Zuwachs erfuhr. Dessen Sammlung zeichnet sich durch eine große Artenvielfalt und durch die hervorragende Qualität der Falter aus, die alle durch ein spezielles Verfahren entölt und vorbildlich präpariert sind.

(Text: Josef DE FREINA 11.10.2017)