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Lasiocampidae - Typenverzeichnis


Über (22) Lasiocampidae

Bei den Glucken oder Wollraupenspinner (Lasiocampidae) handelt es sich um eine Familie an Nachtfaltern mit bisher annähernd 2000 beschriebenen Arten, die sich nach derzeitigem Kenntnisstand in 150 Gattungen und fünf Unterfamilien unterteilen lassen. Ihren deutschen Namen haben sie wegen ihrer auffälligen Ruheposition, in der sie die Flügel dachziegelartig übereinander legen und so brütenden Hennen ähnlich sehen. Diese Eigenheit ist vor allem bei der Gattung Gastropacha deutlich zu erkennen.
Die Familie ist mit Ausnahme von Neuseeland weltweit verbreitet. Ihr Hauptverbreitungsgebiet ist die afrikanischen Tropenregion, aber auch in Südamerika ist ihre Artenzahl hoch. In Europa leben lediglich 40 Arten, davon 22 in Mitteleuropa.

Das Erscheinungsbild der mittelgroßen bis großen Falter ist sehr vielgestaltig, was Größe, Flügelform, Flügelfarbe und den Verlauf der Flügeladern anbelangt. Ihre Färbung ist meist wenig auffällig und eher auf ockerfarbene bis braune Farben beschränkt. Die Männchen und Weibchen weisen einen auffälligen Sexualdimorphismus auf, denn die Größenunterschiede zwischen den Geschlechtern sind zum Teil sehr ausgeprägt. Bei den meisten Arten sind die Weibchen viel größer und plumper als die Männchen.
Die Falter haben einen kräftigen und plumpen Körperbau und sind stark behaart. Auf dem Nacken weisen sie einen pelzigen Haarschopf auf. Ihre beiden Flügelpaare sind meist sehr breit, nur bei wenigen Gattungen sind die Vorderflügel eher schmal und die Hinterflügel klein. Die Fühler sind bei beiden Geschlechtern bis zur Spitze hin gefiedert, der Saugrüssel ist entweder rudimentär oder fehlt komplett. Das bedeutet, dass die Falter keine Nahrung aufnehmen können, weshalb sie schon bald nach der Paarung und Eiablage sterben. Die Labialpalpen sind unterschiedlich gut ausgebildet.
Autapomorphe Merkmale, die sie von anderen Familien abgrenzen, finden sich vor allem in der Ausprägung der Flügeläderung. Die Flügeladern R5 und M1 sind auf den Vorderflügeln in der Regel nahe beieinander, ebenso wie die Adern M2 und M3. Auf den Hinterflügeln sind die Adern Sc und Rs an der Basis des Flügels getrennt, treffen sich aber, um eine Zelle zu bilden. Die Ader M2 entspringt meist an der Basis von M3. Die Ader CuP fehlt auf beiden Flügelpaaren.

Die überwiegende Zahl der Arten ist nachtaktiv, aber man findet auch Arten, deren Männchen bereits ab dem Nachmittag in raschem Flug nach Weibchen suchen.

Die Eier der Glucken sind verhältnismäßig groß, ihre Farbe ist unterschiedlich. Sie sind meist flach und in der Mitte eingedellt. Das Eiablageverhalten ist verschieden. Die hohe Zahl der Eier kann einzeln oder in Gruppen abgelegt werden. Oft werden die Eier auch rund um einen Pflanzenstängel geordnet befestigt. Es gibt, soweit bekannt, weißliche, gelbe und braune Eier.

Die Raupen sind oft recht bunt und im erwachsenen Stadium relativ groß. Ihr Aussehen kann sich je nach Raupenstadium stark verändern. Junge Raupen leben oft gesellig. Meist sind sie, vor allem an den Seiten, stark behaart, wobei die Raupenhaare bei empfindlichen Personen unangenehme Juckreaktionen hervorrufen können. Viele weisen einen flachen bis ovalen Querschnitt auf.
Bei zahlreichen Arten ist ein Massenauftreten möglich und es gibt auch einige unter ihnen, die als landwirtschaftliche Schädlinge bekannt sind.

Der Sammlungsbestand an Lasiocampiden im Museum Witt ist außerordentlich umfangreich und zeichnet sich durch die hohe Anzahl an Typenmaterial aus. Bereits ab Mitte der 50er Jahre wurde er zunächst von dem bekannten französischen Lasiocampidae-Spezialisten Yves DE LAJONQUIÈRE, der als korrespondierender Wissenschaftler des Muséum National d’Histoire Naturelle, Paris auch die Lasiocampidae-Sammlung dieses Museums bearbeitete, bis zu dessen Ableben betreut. Mit diesem privat arbeitenden Spezialisten stand Thomas WITT seit 1972 in reger Korrespondenz.
Ab Mitte der 90er Jahre wurde die Sektion Lasiocampidae von dem sich auf die Familie Lasiocampidae spezialisierenden Dr. Vadim ZOLOTUHIN, der auch in seiner Dissertation über die Lasiocampidae der Paläarktis arbeitete, betreut. Sie wurde fortlaufend revidiert und nach neuen Erkenntnissen unter Berücksichtigung der Neueingänge geordnet. Eine große Anzahl neuer Taxa im Art- und Unterartrang wurde bei der Bearbeitung der Neueingänge entdeckt und beschrieben.

Inzwischen arbeiten aber auch weitere Wissenschaftler an diesem weltweit bedeutenden Museumsmaterial, das nicht zuletzt durch die zu integrierenden umfangreichen Zuwächse an afrotropischem und neotropischem Sammlungsmaterial für die lepidopterologische Forschung unersetzlich geworden ist.

Literatur

DE FREINA, J. J. & WITT, T. J. (1987): Nolidae, Arctiidae, Syntomidae, Dilobidae, Lymantriidae, Notodontidae, Thaumetopoeidae, Thyretidae, Axiidae, Drepanidae, Thyatiridae, Bombycidae, Brahmaeidae, Endromidae, Lasiocampidae, Lemoniidae, Saturniidae. In: Die Bombyces und Sphinges der Westpalaearktis, Band 1 (708 pp., 46 Farbtafeln). – Edition Forschung & Wissenschaft Verlag GmbH, München.

EBERT, G., HIRNEISEN, N., KRELL, F.T., MÖRTTER, R., RATZEL, U., SIEPE, A., STEINER, A. & TRAUB, B. (1994): Die Schmetterlinge Baden-Wuerttembergs. Band IV: Nachtfalter II. ‒ Verlag Eugen Ulmer, Stuttgart, 535 pp.

PRO NATURA – SCHWEIZERISCHER BUND FÜR NATURSCHUTZ [Hrsg.] (2000): Schmetterlinge und ihre Lebensräume. Arten – Gefährdung – Schutz. Schweiz und angrenzende Gebiete. Band 3: Hepialidae (Wurzelbohrer), Cossidae (Holzbohrer), Sesiidae (Glasflügler), Thyrididae (Fensterschwärmer), Lasiocampidae (Glucken), Lemoniidae (Wiesenspinner), Endromidae (Frühlingsspinner), Saturniidae (Pfauenspinner), Bombycidae (Seidenspinner), Notodontidae (Zahnspinner), Thaumetopoeidae (Prozessionsspinner), Dilobidae (Blaukopf-Eulenspinner), Lymantriidae (Trägspinner), Arctiidae (Bärenspinner). – XI + 914 S.; Egg/ZH (Fotorotar AG).

ZOLOTUHIN, V. V. & GURKOVICH, A. V. (2009): A review of the genus Pachypasa Walker, 1855 sensu lato in Africa. Neue Entomologische Nachrichten 63: 1–75.

ZOLOTUHIN, V. V., TREADAWAY, C. G. & WITT, T. J. (1998): The Lasiocampidae (Lepidoptera) of the Philippines. Nachrichten des Entomologischen Vereins Apollo Supplement 17: 133–222.

Korrespondierender Wissenschaftler > Dr. Vadim V. Zolotuhin, Uljanovsk

(Text: Josef DE FREINA 20.8.2018)